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Pferderecht: Haftungsfragen rund ums Pferd

bearbeitet von Rechtsanwalt Stephan Pahl

Europaweit als Rechtsanwalt tätig im Pferderecht

 

Gliederung

 

„Haftungsfragen“ rund ums Pferd

( Hinweis: nachfolgende Literaturangaben stellen eine möglichst umfassende Sammlung der zu diesem Thema vertretenen Rechtsansichten dar und beinhalten zum Teil Rechtsansichten, die von derjenigen abweichen, die der Verfasser hier vertritt ! )

 

1 Strafrechtliche Verantwortung und Straßenverkehr

Wie jedermann weiß, „...ist das Pferd ein wildes Tier, daß dem Menschen nach dem Leben trachtet..“ Im nüchternen Juristendeutsch des Strafrechtlers ist es eine „gefährliche Sache“ oder ein „gefährliches Werkzeug“. Hieraus ergibt sich für all jene Personen, die verantwortlich mit dem Tier umgehen, eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Wer sein Pferd nicht richtig anbindet, macht sich unter Umständen strafbar wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 230 StGB), wenn sich das Pferd losreißt und Schaden anrichtet. Wer beispielsweise auf eine Person losreitet, um sie zur Seite zu drängen und sie dabei verletzt, begeht u.U. eine gefährliche Körperverletzung (§ 223a StGB). Bei der Teilnahme am Straßenverkehr ist immer daran zu denken, daß Pferde dort einen Fremdkörper bilden, der die übrigen Verkehrsteilnehmer zu ungewöhnlichen Reaktionen veranlassen kann. Nicht immer ist an Unfällen das Pferd schuld oder sein Reiter.

Nähert sich ein Pkw-Fahrer innerhalb einer geschlossenen Ortschaft einer Reitergruppe (hier: zwei Pferde) mit überhöhter Geschwindigkeit (hier: 64 km/h) und muß er eine Vollbremsung vornehmen, so reduziert sich die Tierhalterhaftung auf 20 %, wenn ein Reitpferd aufgrund des Fahrverhaltens des Pkw-Fahrers scheut und mit der Hinterhand in die Fahrbahn ausbricht.« OLG Köln - 9 U 7/91 - Urteil vom 14.01.92

Ein Pkw-Fahrer, der sich auf einer Kreisstraße außerhalb geschlossener Ortschaft einer in seiner Fahrtrichtung am rechten Fahrbahnrand bewegenden Reiterin mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h nähert, muß schon vorsorglich weit nach links in die freie Gegenfahrbahn ausweichen und seine Geschwindigkeit reduzieren, um mögliche Irritationen des Pferdes zu vermeiden (Haftungsquote hier: 2/3 : 1/3 zu Lasten des Pkw-Fahrers) OLG Hamm - 27 U 156/93 - Urteil vom 16. 12. 1993

Es ist aber immer dann, wenn bei Unfällen eine Mitursächlichkeit von Pferd und Reiter nicht völlig ausgeschlossen werden kann, daran zu denken, daß an der Unfallstelle gewartet werden muß, andernfalls der Reiter eine Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) begeht und den Führerschein riskiert.

 

2 vertragliche Haftung (zivilrechtlich)

Das Gesetz kennt grundsätzlich zwei verschiedene Arten von Haftungstypologien, die vertraglichen und die deliktischen Haftungstatbestände. Letztere beschränken sich zumeist auf Schadenersatzansprüche, während erstere zusätzlich auch Leistungspflichten begründen können und stets einen Vertrag zwischen Personen zur Voraussetzung haben.
So haftet beispielsweise der Pferdepensionswirt dafür, daß seine Pferde auch genügend Futter bekommen, der Tierarzt haftet für eine ordnungsgemäße Durchführung einer Untersuchung oder Operation, der Pferdetrainer für eine ordnungsgemäße Ausbildung der Pferde und der Verkäufer eines Pferdes haftet für das Vorhandensein bestimmter, von ihm zugesicherter Eigenschaften oder das Nichtvorhandensein von Mängeln, deren Abwesenheit er zugesichert hat. In zweiter Linie ergeben sich dann bei Leistungsstörungen auch Schadensersatzansprüche „auf vertraglicher Grundlage“.
Charakteristisch für derartige Ansprüche ist, daß sich die Haftungsverhältnisse im Regelfall auf die am Vertrag beteiligten Personen beschränken, wobei sich der Umfang der Leistungspflichten, die verletzt werden können, oftmals aus dem Gesetz ergibt. Dies unterscheidet die vertragliche Haftung grundlegend von der deliktischen Haftung.

 

3 deliktische Haftung (zivilrechtlich)

Die deliktische Haftung besteht immer nur aufgrund gesetzlicher Haftungstatbestände und grundsätzlich gegenüber jedermann. Die Haftungstatbestände finden sich in einer Vielzahl von Gesetzen.

 

3.1 Grundsatz: Verschuldenshaftung

Die hier interessierenden deliktischen Haftungstatbestände sind allesamt geregelt in § 823 - § 853 BGB. Vom Grundsatz her haftet jede natürliche Person, die einsichtsfähig genug ist, das Unrecht ihres Tuns einzusehen, für den von ihr angerichteten Schaden, dessen Eintritt für sie zumindest individuell vorhersehbar und vermeidbar war. Der Vorwurf des „Verschuldens“ besteht darin, daß eine solche Person entweder die Ursachen für einen
Schadenseintritt gesetzt hat oder nicht das ihr Mögliche und Zumutbare getan hat, um den Schadenseintritt zu verhindern, nachdem sie selbst einen Geschehensablauf in Gang gesetzt hatte, der dann zum Schadenseintritt führte. Dies ist geregelt in §§ 823 ff. BGB. Eine Ausnahme besteht in der Haftung für den Unfug, den ein Verrichtungsgehilfe
stiftet, also derjenige, von dem man seine Angelegenheiten erledigen läßt (§ 831 BGB).
Neben der verschuldensabhängigen Haftung gibt es die verschuldensunabhängige Haftung beim Gebrauch oder Besitz besonders gefährlicher Objekte.

 

3.2 Ausnahme: Gefährdungshaftung

Das BGB regelt die Gefährdungshaftung für Haustiere (§§ 833, 834) und Häuser (§§ 836- 838). Andere Gesetze regeln die Tatbestände der Gefährdungshaftung beispielsweise für Kraftfahrzeuge (StVG), Flugzeuge (LuftVG) oder Eisenbahnen (AEG) u.a.m.. Gemeinsam haben alle diese Haftungstatbestände, daß hier eine Schadenersatzpflicht auch dann besteht, wenn dem Halter, Besitzer oder Betreiber der Sache kein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann, das zum Schadenseintritt geführt hat. Im folgenden soll hier aus dieser Gruppe von Tatbeständen nur die Tierhalterhaftung (§ 833 BGB) bzw. die
Tierhüterhaftung (§ 834 BGB) behandelt werden.

 

3.2.1 Haftung für allgemeine Tiergefahr

(Ursprung und Normzweck der Vorschriften)

Der hier geregelte Tatbestand ist rechtshistorisch sehr alt. Bereits die Keilschriftrechte des alten Orients regelten die Tierhalterhaftung in der Form, das nicht das Verschulden des Tierhalters sanktioniert wurde, sondern der vermeidbare aber nicht vermiedene Erfolg. Auch im römischen Recht haftet der Eigentümer eines Tieres für die vom Tier angerichteten Schäden. Hiervon konnte sich dieser durch Herausgabe des Tieren an den Geschädigten befreien, andernfalls er Schadenersatz in Geld leisten mußte. Der erste Entwurf zum BGB sah diesbezüglich eine „Haftung für vermutetes Verschulden“ vor. Es wurde statuiert, daß im Schadensfall der Besitzer des Tieres nicht die erforderliche Sorgfalt im Umgang mit demselben hatte walten lassen. Eingang in das BGB in der Fassung vom 01.01.1900 fand dann eine Vorschrift, wie sie heute in § 833 Satz 1 BGB vorliegt. Auf Intervention der Landwirtschaft und Kaufmannschaft wurde später bei der Ergänzungsnovelle vom 30.05.1908 der jetzt noch vorhandene Satz 2 der Vorschrift eingefügt. Es hatte sich nämlich gezeigt, daß etwa 2/3 aller Schadensfälle Tiere betroffen hatten, die im Besitz eines Mitglieds vorbezeichneter Berufsgruppen standen. In allen oben erwähnten Gesetzen und Gesetzesentwürfen war vorrangig der Gedanke, daß Tiere ein Gefahrenpotential bergen, da sie unberechenbar und unreflektiert handeln. Hiervon ausgehend wurde es demjenigen, der diese Gefahrenquelle für andere eröffnete, zur Pflicht gemacht, jeglichen Schaden zu ersetzen, den das Tier anrichtete. Um den Tatbestand jedoch nicht ausufern zu lassen, haben sich die Rechtsprechung und Literatur seit Einführung des BGB bemüht, Begriffsinterpretationen herauszuarbeiten.
Tiere i.S.d. § 833 BGB sind alle Tiere, mit Ausnahme derjenigen, „deren Leben sich demjenigen der Pflanzen nähert“ (z.B. Bakterie Bazillen .a.). Um eine Schadenersatzpflicht des Halters auszulösen, muß die Gefährdung des Lebens Dritter, die Gesundheitsgefährdung oder -beschädigung oder die Sachbeschädigung die Folge der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens sein. Dies ist die Kernaussage der Tierhalterhaftung! Hier liegt zugleich ein haftungsentscheidendes Abgrenzungsproblem. Die Tierhalter- oder Tierhüterhaftung besteht nur dann, wenn man sich denkt: „typisch tierisch“ und dann nicht, wenn menschliches Handel den Konfliktfall herbeigeführt hat
und das Tier nur seinen im Einzelfall vorhersehbaren Instinkten bzw. natürlichen Neigungen folgt.

 

  • + Scheuen, Schlagen und Beißen von Pferden, Ausbrechen aus der Weide (Köln VersR 93, 616)
  • - nicht angeleinter Hund des Spaziergängers hetzt die Pferde und diese brechen aus (= menschl. Versagen)
  • + ungeplanter Deckakt auf der Weide (BGHZ 67, 129)
  • aber + wenn dabei sich der Bulle losreißt oder der Hengst die Stute seitlich besteigt
  • + wenn das gerittene Pferd ausschlägt oder erschrickt
  • - wenn das Pferd den Hilfen gehorcht und dabei Personen verletzt oder Sachen beschädigt.
  • - wenn die Boxentür nicht richtig verschlossen wurde, das Pferd auf die Stallgasse austritt und dort ein anderes Pferd verletzt.

 


Wenn ein wegen eines Zügelrisses nicht mehr ausreichend beherrschbares Pferd sich nach dem Überspringen eines Hindernisses selbsttätig einen Weg sucht und dabei den Weg eines anderen Pferdes kreuzt, so daß dieses infolge des Zusammenstoßes verletzt wird, verwirklicht sich die typische Tiergefahr. OLG Düsseldorf - 22 U 172/94 - Urteil vom 17. 3. 1995

Vorstehende Beispiele zeigen, daß immer dann keine Manifestation der Tiergefahr vorliegt, wenn das Tier unter menschlicher „Anleitung“ sein schädigendes Verhalten gezeigt hat oder ein menschliches Fehlverhalten die maliziösen Neigungen des Tieres herausgefordert hat; hat es das triebhafte tierische Verhalten lediglich ermöglicht,
kann sich ein Tiergefahr im Rechtssinne allerdings trotzdem verwirklichen.

 

3.2.2 Haftung

Haftungsbeschränkungen, Mitverschulden und Haftung mehrerer

Ein weiteres haftungsentscheidendes Abgrenzungsproblem findet sich in § 833 Satz 2 BGB und in § 834 Satz 1 BGB. Die erstgenannte Vorschrift wurde insbesondere im Hinblick auf Pferde in Literatur und Rechtsprechung äußerst kontrovers diskutiert. Näheres dazu wird unten ausgeführt bei der Haftung des Halters. Gleichermaßen für den Nutztierhalter und den Tierhüter sieht das Gesetz die Möglichkeit eines Entlastungsbeweises vor. Die Haftung entfällt, wenn die Person „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ walten ließ oder der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Näheres dazu wird unten ausgeführt bei der Haftung des Halters bzw. des Hüters. Schließlich gibt es noch die rechtliche Möglichkeit, die Höhe des Schadensersatzes dadurch zu begrenzen, daß
ein Mitverschulden des Geschädigten (§ 254 BGB) festgestellt wird. Ein Mitverschulden ist möglich in der Form, daß sich der Geschädigte über die Tierhalterhaftung einen eigenen Verursachungsbeitrag seines Pferdes anrechnen lassen muß (z.B. Rangelei von 2 Pferden auf der Weide = 50% Mitverschulden) oder er für ein eigenes, menschliches Fehlverhalten einzustehen hat, das mitursächlich für den Schadenseintritt war.

Der durch ein fremdes Pferd Verletzte, der im Unfallzeitpunkt ein eigenes Pferd geführt hat, muß sich kein mitwirkendes Verschulden anrechnen lassen, wenn sein eigenes Tier seiner Führung gehorcht hat. Den durch einen Pferdetritt Verletzten trifft ein eigenes Verschulden nicht deshalb, weil er sein eigenes Pferd in die Nähe des ausschlagenden Pferdes geführt hat, wenn er keinen erkennbaren Anlaß hatte, dieses Pferd mit seinem Tier zu meiden. OLG Köln - 18 U 164/94 - Urteil vom 20.04.95

Führt ein Halter sein Pferd auf einer 3,10 m breiten Stallgasse (Boxenstall) am Zügel an einem anderen Pferd vorbei, das unvermittelt ausschlägt und das vorbeigeführte Pferd verletzt, so muß sich der Halter des verletzten Pferdes bei der Schadensregulierung nicht entgegenhalten lassen, auch die von seinem Pferd ausgegangene Tiergefahr habe sich verwirklicht. OLG Stuttgart -10 U 315/92 - Urt. vom 07.09.1993

Zeigt ein Hengst oder Wallach gegenüber einer Stute sogenannte Hengstmanieren und verletzt er die Stute durch Huftritte, so ist dieses Verhalten nicht nur Ausdruck der Unberechenbarkeit des Hengstes oder Wallachs, sondern in gleicher Weise auch Reaktion auf die Wirkung, welche die Stute aufgrund ihrer tierischen Eigenart bei dem Hengst oder Wallach hervorgerufen hat, so daß die beiderseitigen Verursachungsanteile gleich hoch zu bewerten sind und der Halter des Hengstes oder Wallachs nur die Hälfte des Schadens zu ersetzen hat. OLG Düsseldorf - 22 U 92/92 - Urteil vom 28. 5. 1993


In § 840 BGB ist die Haftung mehrerer geregelt, die gemeinsam den Schaden eines Dritten „verursacht“ haben. Im Verhältnis zum geschädigten Dritten haften sie als Gesamtschuldner jeder auf die volle Summe, insgesamt aber nur zu 100%. Interessant ist der interne Ausgleich untereinander. Hier sieht § 840 Abs.3 BGB vor. Daß die bloße Tierhalter- bzw. Tierhüterhaftung privilegiert ist gegenüber der Haftung aus einem Schuldverhältnis oder aus Verschulden. Im Innenverhältnis ist demnach derjenige, welcher nur aus §§ 833, 834 BGB haftet, leistungsfrei.

Ist es wegen ausgebrochener Pferde zu einem Reitunfall gekommen, scheidet eine Mithaftung des verletzten Reiters wegen eigener Tiergefahr aus, wenn dem für die ausgebrochenen Pferde Verantwortlichen neben der Tierhalterhaftung auch die Verschuldenshaftung aus § 823 I BGB trifft. OLG Schleswig - 16 U 201/88 - Urteil vom 29. 6. 1989


Läßt sich nicht feststellen, wessen Pferd (beispielsweise in einer durchgegangenen Herde) den Schaden verursacht hat, jedes der Pferde aber in irgend einer Weise an der Entstehung des Schadens ursächlich beteiligt war, so haften gegenüber dem geschädigten Dritten alle Pferdehalter gem. § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB, also jeder für sich „aufs Ganze“. Entsprechendes gilt, wenn nicht feststellbar ist, welches von mehreren Pferden welchen konkreten Schaden(sumfang) verursacht hat.
Zur Anwendung des § 830 I 2 BGB bei einem durch entlaufene Pferde verursachten Verkehrsunfall. OLG Köln - 7 U 191/89 - Urteil vom 17.05.1990

 

3.3 Einzelfälle

Insbesondere im Zusammenhang mit Pferden ergeben sich eine Reihe von rechtlichen Problemen. Eine Ursache dafür ist zum einen die Tatsache, daß es mehr Pferde in Privathand gibt, als früher und zum anderen, daß im Gegensatz zu 1900 heutzutage Pferde fast nur noch im Freizeitbereich zu finden sind und nur vereinzelt, wie seinerzeit
als Arbeitstiere oder Nutztiere. In kurzer Form soll im folgenden dargestellt werden, in welcher Eigenschaft sich der Mensch mit Pferden beschäftigt und welche rechtlichen Konsequenzen sich für ihn daraus ergeben. Grundlegende und neue obergerichtliche Entscheidungen werden stichwortartig aufgeführt.

 

3.3.1 Besitzer (im Sprachsinne des „Pferderechts“)

Das „Pferderecht“ ist hier terminologisch unkorrekt, da mit dem Besitzer eigentlich gemeint ist der Eigentümer. Dies sollte beachtet werden, zumal auch die Gerichte sich oft nicht mit dem (Sprach-)Gebrauch des „Pferderechts“ auskennen, was bisweilen zu folgenschweren Irrtümern führte. Ein entsprechender Hinweis für das Gericht ist mitunter angebracht. Haftungsrechtlich ergeben sich für den Besitzer allein aus seiner eigentumsrechtlichen Stellung i.d.R. keine Konsequenzen.

 

3.3.2 Tierhalter

Die Haftung des Tierhalters ist geregelt in § 833 BGB. Tierhalter ist, wer an der Haltung ein eigenes Interesse, eine mittelbare oder unmittelbare und grundsätzlich nicht nur vorübergehende Besitzstellung und die Befugnis hat, über Betreuung und Existenz des Tieres zu entscheiden ( Hamm VersR 73, 1054). Eigentum und unmittelbarer Besitz sind keine Voraussetzung. Abzustellen ist auf das rein tatsächliche Verhältnis, wobei Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich ist.

Wird ein Pferd vom Gerichtsvollzieher gepfändet und bis zur Versteigerung gegen Entgelt anderweitig untergestellt, werden weder er noch derjenige, bei dem das Pferd untergestellt ist, Tierhalter. (OLG Hamm - 6 U 2/94 - Urteil vom 14.04.1994); u.U. aber Hüter.

Die Ersatzpflicht tritt (nur) ein bei Tötung, Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung hins. eines Menschen oder Sachbeschädigung ; zu ersetzen ist aller daraus resultierender Schaden. Ein Verschulden ist unerheblich (Regelfall: Gefährdungshaftung).
Bei Nutztieren i.S.d. § 833 Satz 2 BGB gilt ausnahmsweise eine Verschuldenshaftung mit vermutetem Verschulden. Der Halter kann hier den Beweis führen, das er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hat walten lassen oder der Schaden auch unter derartigen Voraussetzungen eingetreten wäre.
Nutztiere sind solche, die dem Beruf, der Erwerbstätigkeit oder dem Unterhalt des Tierhalters dienen. Die Abgrenzung zwischen Nutztier und Luxustier, welches in § 833 Satz 1 BGB behandelt wird, ist höchst kompliziert und diffus. Entscheidend ist zunächst die Zweckbestimmung, die der Halter dem Tier verleiht. Es handelt sich um ein Nutztier, wenn das Tier in erheblichem Umfang den in § 833 Satz 2 BGB genannten Zwecken dient.
Derartiges ist in jedem Einzelfall zu prüfen und zu beweisen.
Beispiele: (+ = Nutztier / - = Luxustier )

 

  • + Zuchthengst in der Hand des Züchters
  • + Pferd eines Trabertrainers, das für den Renneinsatz trainiert wird (Düsseldorf VersR 93,115)
  • + Privatpferd oder Vereinspferd, wenn es an (vereins-)fremde Personen vermietet wird (BGH NJW-RR 86, 572)
  • + Pferd des Waldbauern zum Holzrücken
  • + Schlachtpferd des Abdeckers im Schlachthof
  • + in analoger Anwendung der Vorschrift auch Landbeschäler, Militär- und Polizeipferde
  • - zu Liebhaberzwecken gehaltenes Rennpferd
  • - Vereinspferd, das nur Mitgliedern zur Verfügung steht (BGH NJW 82, 763)

 


Benutzt ein Pferdehalter die Tiere im allgemeinen als Holzrückpferde im Wald und setzt er sie ausnahmsweise bei einem Karnevalsumzug als Zugtiere vor einer alten Feuerwehrspritze ein, so kann er sich gleichwohl auf das Entlastungsprivileg für Nutztiere (§ 833 S. 2 BGB) berufen. OLG Koblenz - 5 U 1812/90 - Urteil vom 08.05.1991

Allein aus dem Umstand, daß ein Gestüt als Ausbildungsstätte für eine Pferdewirtin anerkannt ist, ergibt sich nicht, daß die Pferde Nutztiere i. S. des § 833 S. 2 BGB sind. OLG Düsseldorf - 22 U 161/93 - Urteil vom 28. 1. 1994

Übernimmt jemand aus Gefälligkeit die Aufgabe, während der Urlaubsabwesenheit eines Pferdehalters dessen Reitpferd durch Führen am Führstrick zu bewegen, und wird er hierbei durch das Pferd verletzt, so kann ihm der Pferdehalter nach § 833 BGB zum Schadenersatz verpflichtet sein. Entscheidend ist, ob der Geschädigte die unfallverursachende Tätigkeit vorwiegend im eigenen Interesse ausübt oder um dem Tierhalter gefällig zu sein. Im letzteren Fall ist für einen Ausschluß der Haftung nach § 833 S. 1 BGB kein Raum. OLG Köln - 26 U 54/92 - Urteil vom 31.03.93

Die Tierhalterhaftung gem. § 833 S. 1 BGB greift bei unentgeltlicher Überlassung eines Reitpferdes nur ein, wenn der Pferdehalter ein besonderes Interesse daran hatte, daß sein Pferd geritten wurde; dieses besondere Interesse muß in seiner Intensität und der Interessenlage der Parteien der entgeltlichen Übergabe entsprechen. OLG Düsseldorf - 10 U 32/90 - Urteil vom 18. 10. 1990

Werden Tiere (hier: Pferde) zweier Tierhalter gemeinsam auf eine Weide gebracht, so greift die gesetzliche Tierhalterhaftung ein, wenn das Tier eines Halters durch Tiere des anderen Halters verletzt wird. OLG Köln - 3 U 185/91 - Urteil vom 23.06.92

Ein Reiter, der mit dem Pferd eines Idealvereins an einer Runddressur teilnimmt, hat Anspruch auf Schadensersatz für die Folgen eines Reitunfalls, weil er nicht die reittypische Tiergefahr als eigene übernommen hat. LG München I - 10 O 15070/90 - Urteil vom 27. 2. 1991

 

3.3.3 Tierhüter (Tieraufseher)

Tierhüter ist, wer durch Vertrag die Aufsichtsführung übernimmt, also die selbständige allgemeine Gewalt und Aufsicht über das Tier. Beispiele: (+ = Tierhüter / - = kein Tierhüter)

 

  • + Übernahme des Pferdes in Verwahrung oder zum Zureiten
  • + Transportbegleiter (RG 168, 333)
  • + Viehtreiber
  • + Pferdepensionswirt (Hamm VersR 75, 865)
  • + Mieter eines Pferdes zum selbständigen Ausritt (BGB NJW 87, 949)
  • - Stallbursche
  • - angestellter Reitlehrer

 

Die Grundlage der Haftung ist vermutetes Verschulden und ein vermuteter ursächlicher Zusammenhang. Hinsichtlich beider muß der Tierhüter den Entlastungsbeweis führen. Seine Haftung besteht oftmals gem. § 840 BGB neben der des Tierhalters. Kann sich der Tierhalter eines Nutztieres allerdings durch Auswahl eines an sich geeigneten Tierhüters entlasten, haftet letzterer allein.

Ist der Tierhüter selbst der Geschädigte, ist sein Schadenverursachungsbeitrag gegen den des Tierhalters abzuwägen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Tierhalter, der sein Pferd dem Tierhüter überläßt, keine Einwirkungsmöglichkeit auf sein Tier hat. Liegt es in der Hand des Tierhüters, durch entsprechende Vorsorge und Aufsicht eine Schadenverursachung durch die bei ihm befindlichen Tiere zu verhindern, tritt der Schadenverursachungsbeitrag des Tierhalters ganz zurück. OLG Celle - 5 U 109/88 - Urteil vom 06.07.91

Wird der Tierhüter durch das zu beaufsichtigende Tier getötet, so führt sein Tierhüter-Haftungsanteil zu einer Halbierung seines Schadenersatzanspruchs gegen den Tierhalter. OLG Frankfurt/M. - 22 U 82/94 - Urteil vom 25.07.95

 

3.3.4 Reiter

Wer ein Pferd zum selbständigen Ausritt übernimmt, wird dadurch zum Tierhüter. Äußerst problematisch ist die Frage, ob der Reiter seinerseits in den Schutzbereich des § 833 BGB einbezogen ist und Schadensersatzansprüche gegen den Halter geltend machen kann, wenn er beim Ausritt durch das Pferd verletzt wird. Die obergerichtliche Rechtsprechung gewährt dem Reiter (derzeit noch überwiegend) diesen Schutz (BGH NJW 86, 2883). Etwas anderes gilt u.U., wenn der Reiter das Pferd „im vorwiegend eigenen Interesse und
zur Berufsausübung“ entleiht ( KG NJW-RR 91, 478), er es gefälligkeitshalber ( BGH NJW 93, 2611) oder zum Zwecke der Durchführung gefährlicher Ritte (z.B. Fuchsjagd) erhält. Die Rechtslage zu diesen Haftungstatbeständen ist im übrigen schwierig zu beurteilen, da die Rechtsprechung stark auf „Billigkeitsmomente“ abstellt und nicht verallgemeinert werden kann.

Wird ein Reiter bei einer Fuchsjagd durch ein anders Pferd verletzt, ohne daß sich hierbei die besondere Gefahrensituation der Fuchsjagd ausgewirkt hat, so ist die Haftung des Tierhalters bzw. -hüters nicht unter dem Blickpunkt begeben hat. BGH - VI ZR 69/91 - Urteil vom 19.11.91

Der Halter eines Reitpferdes kann dem Reiter, der sich beim Sturz vom Pferd verletzt, auch dann nach § 833 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er dem Verletzten das Pferd aus Gefälligkeit überlassen hat. BGH - VI ZR 49/91 - Urteil vom 09.06.92

Hier ist bei der rechtlichen Beurteilung immer äußerste Vorsicht geboten, da die Rechtslage diffus und ausgesprochen kasuistisch ist ! Vorbeugend ist zu empfehlen, bei eigener Betroffenheit eine eindeutige Haftungsregelung (schriftlich) vorzunehmen, bevor man das Pferd übernimmt.

 

3.3.5 Pensionspferdewirt

Für ihn gilt grundsätzlich gleiches, wie für den Reiter (s.o.). Hier haftet jedoch i.d.R. der Halter nicht gem. § 833 BGB gegenüber dem Pensionspferdewirt. Aus dem Pensionsvertrag werden sich allerdings im Regelfall für den Pferdepensionswirt noch weitergehende Pflichten ergeben, woraus eine Haftung sogar gegenüber dem Pferdehalter entstehen kann.

 

3.3.6 Turnierveranstalter, -teilnehmer

Bei der Teilnahme an Turnieren gelten zunächst die allgemeinen Haftungsgrundsätze der §§ 833,834 BGB.

Kein Ausschluß der Tierhalterhaftung gegenüber dem durch ein fremdes Pferd verletzten Teilnehmer an einem Reitturnier mit Siegerehrung und anschließender Ehrengalopprunde. OLG Düsseldorf - 4 U 4/84 - Urteil vom 03.04.84

Im Einzelfall können die Sorgfaltspflichten, die an die Turnierteilnehmer gestellt werden, erheblich gesteigert sein, weil eine Vielzahl von Pferden auf engem Raum bewegt wird. Andererseits bedeutet für die menschlichen Teilnehmer die Teilnahme an einem Turnier eine bewußt hingenommene höhere Gefährdung, so daß in gewissen Bereichen auch an stillschweigende Haftungsausschlüsse zu denken ist. Außerdem sehen gelegentlich die Teilnahmebestimmungen Haftungsregeln oder Verhaltensregeln für die Turnierteilnehmer vor, die der reinen gesetzlichen Regelung vorrangig sind. Der Turnierveranstalter hat in jedem Fall durch geeignete organisatorische Maßnahmen die Voraussetzungen dafür
zu schaffen, daß vermeidbare Risiken für die Teilnehmer nicht entstehen. Aus mangelhafter Organisation kann für ihn eine Haftung wegen „Organisationsverschuldens“ aus allgemeinen Haftungsgrundsätzen (§ 823 BGB) entstehen. Denkbar ist dann eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Tierhalter u.s.w.

Der Veranstalter eines besuchsoffenen Reitertrainings ist gegenüber den Zuschauern der Veranstaltung verkehrssicherungspflichtig. Insbesondere hat er dafür Sorge zu tragen, daß diese durch die Pferde nicht in vermeidbarer Weise geschädigt werden (hier: Pferde und Zuschauer hätten nicht durch den gleichen Eingang in der Vorführungsraum gelangen dürfen). BGH - VI ZR 159/73 - Urteil vom 29.10.74

 

3.3.7 Reitlehrer

Der (reine) Reitlehrer der nicht zugleich Tierhalter oder -hüter ist, haftet nach den allgemeinen´Haftungsgrundsätzen gem. § 823 BGB, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit eines Menschen ... oder dessen Eigentum beschädigt. Die Haftung ist weit zu fassen, und greift auch, wenn er lediglich Handlungen unterläßt, die ihm zumutbar waren und den Schaden abgewendet hätten. Bei Regreßansprüchen gegen Reitlehrer werden oft Gutachten von Pferdesachverständigen eingeholt, die dann zu beurteilen haben, ob dem Reitlehrer eine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Reitlehrer haben den Voltigierunterricht einer Gruppe von Volksschülern so zu organisieren, daß die Kinder nicht unbeaufsichtigt von der Voltigierhalle auf das Gelände des Reitvereins mit den typischen Gefahren des allgemeinen Reitbetriebs gelangen können. OLG Celle - 20 U 55/94 - Urteil vom 08.02.95

 

4. Exkurs: Sozialversicherungsrecht

( Pferdebesitzer als Unternehmer / § 128 Abs.1 Ziff.9 SGB VII )

In der bisher geltender RVO war in den Vorschriften der §§ 628 Abs.2 Nr.2, 636 Abs.1 Satz 1 RVO geregelt,
daß der nicht gewerbliche Halter von Reittieren Unternehmer ist und bei Personenschäden in bestimmten Fällen
nur eingeschränkt haftet. Eine entsprechende Regelung findet sich jetzt in § 104 Abs. 1 SGB VII:

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörige und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum
Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. ...


Für diese Personen findet sich eine Regelung in § 128 Abs.1 Nr.9 SGB VII wie folgt:
(1) Die Unfallversicherungsträger im Landesbereich sind zuständig
1. ...
9. für Personen, die wie Beschäftigte für nicht gewerbsmäßige Halter von ... oder Reittieren tätig werden, ...

Die haftungsrechtliche Konsequenz aus diesen Vorschriften ist, daß der Pferdehalter gegenüber Personen, die „wie Beschäftigte“ bei ihm tätig waren, für die Folgen eines von ihm nicht vorsätzlich verursachten Personenschadens i.d.R. nicht haftet, sofern sich der Schaden nicht zugleich bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr ereignete. Der Verletzte erhält dann Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beurteilung der Frage, wann eine Person „wie ein Beschäftigter“ tätig wurde, ist allerdings höchst kompliziert und für einen juristischen Laien nahezu unmöglich. Da die genannten Vorschriften etwas entlegen sind, wird sich ein auch mancher Jurist ihrer nicht in jedem Falle erinnern, so daß es sicherlich günstig ist, wenn ein eventuell von ihnen Betroffener um ihre Existenz weiß und entsprechende Anregungen geben kann.

Übernimmt jemand gegenüber einem nicht gewerbsmäßigen Pferdehalter aus Gefälligkeit während dessen mehrtägiger Abwesenheit die Versorgung der Pferde und erleidet er bei deren Versorgung einen Personenschaden, so kann die Haftung des Pferdehalters aus § 833 BGB gem. § 636 Abs. 1 und 2 RVO ausgeschlossen sein. OLG Köln - 27 U 92/92 - Urteil vom 16.12.92

 


 

 

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